Erinnern heißt Handeln 2019/2020

Flyer Zweiter Anschlag Mit der aktuellen Reihe wollen wir uns gemeinsam mit FORENA der Frage annähern, welchen Stellenwert die Erinnerung an rechte Gewalttaten im kollektiven Gedächtnis einnimmt.
Zentraler Ausgangspunkt ist dabei die oft marginalisierte Perspektive der Betroffenen von rassistischer Gewalt. Im Fokus steht die Frage, ob und wie an Gewalttaten erinnert wird, welche erinnerungskulturellen politischen und medialen Praxen dabei entstehen und welche gesellschaftlichen Ein- und Ausschlüsse produziert werden.

Fast 200 Todesopfer rechter Gewalt hat die Amadeu Antonio Stiftung von 1990 bis heute gezählt. Die junge Geschichte der wiedervereinigten Bundesrepublik kann nicht erzählt werden ohne die pogromartigen Brandanschläge der frühen 1990er Jahre, ohne die vielen Fälle rassistischer Straßengewalt und ohne die rechtsterroristischen Morde des NSU. Die Geschichte tödlicher rechter Gewalt hat Kontinuität in der Bundesrepublik und sie reicht bis in die Gegenwart: Tätliche Angriffe, Morddrohungen und Todeslisten seitens extremer Rechter sind derzeit brutale Realität.

Wie kann eine angemessene Erinnerungsarbeit für die Opfer rechter Gewalt gestaltet werden? Diese Frage wollen wir vor allem mit den Menschen diskutieren, die von rassistisch motivierter Gewalt oder anderen Formen von Rassismus betroffen sind.

 

PROGRAMM

 

21.11.2019, 19 – 22 Uhr, Gebäude 4, EG, Audimax
Der Zweite Anschlag (D 2018). Rassistische Gewalt in Deutschland. Eine Anklage der Betroffenen.
Film & Podium mit Mala Reinhardt, Patrick Lohse, Ayşe Güleç, Mai-Phuong Kollath und Merfin Demir
Grußwort von Tayfun Keltek
„Der Zweite Anschlag“ (D 2018, 62 min.) ist ein Dokumentarfilm von Mala Reinhardt, der die bisher kaum beachtete Perspektive der Betroffenen rechter Gewalt zeigt. In tiefgehenden Interviews entwickelt der Film ein präzises Bild der teils traumatischen Erlebnisse, welche die Protagonist*innen des Films durchlebt haben. Osman Taşköprü erzählt von dem Mord an seinem Bruder Süleyman, den der NSU 2001 in Hamburg beging. Ibrahim Arslan schildert seine Erinnerungen an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992, den er selbst nur knapp überlebte und Mai Phuong Kollath wohnte selbst in Rostock-Lichtenhagen, als dort unter dem Beifall hunderter Schaulustiger das Sonnenblumenhaus von Neonazis in Brand gesteckt wurde. Im Anschluss an den Film wollen wir mit Mala Reinhardt (Regie), Patrick Lohse (Kamera), Mai-Phuong Kollath und Ayşe Güleç (NSU-Tribunal/Initiative 6. April) über den Film sprechen und mit Merfin Demir auch die antiziganistische Dimension des Anschlags in Rostock reflektieren. Moderation: Birgül Demirtaş

 

12.12.2019, 18 – 20 Uhr, Gebäude 3, Raum 1.001
DOING MEMORY an rechte Gewalt
Vortrag von Prof. Dr. Fabian Virchow (FORENA/HSD)
Fabian Virchow, Leiter des Forschungsschwerpunkts Rechtsextremismus/Neonazismus (FORENA) an der HSD wirft einen Blick auf die Geschichte beider deutscher Staaten, die auch eine Geschichte des Rassismus und der rechten Gewalt ist – auch wenn diese in ihrem Ausmaß weitgehend beschwiegen wurde. In den letzten Jahren hat die Zahl der Aktivitäten zugenommen, mittels derer an vielfach tödliche Gewalt von rechts erinnert wird. Der Vortrag stellt konzeptionelle Überlegungen zum Verständnis solcher Aktivitäten her und macht deutlich, welchen Beitrag sie zu einer demokratischen politischen Kultur leisten können.

 

7.2.2020, 18 – 20 Uhr, Gebäude 3, Raum 1.001
„Alle sind noch da, nur die Toten nicht.“
(D 2013, 45 Min.)
Film & Podiumsdiskussion
mit Pagonis Pagonakis, Prof. Dr. Hacı Halil Uslucan und Fatma Yılmaz
Fast 27 Jahre liegen die Brandanschläge von Solingen nun zurück, bei denen fünf Menschen ermordet und weitere schwer verletzt wurden. Die WDR-Reportage „Alle sind noch da, nur die Toten nicht.“ wurde zum 20. Jahrestag gedreht und zeigt, welche Rolle das Gedenken an den Anschlag innerhalb der Stadtgesellschaft spielt. Am Beispiel von Solingen sprechen im Anschluss an den Film Betroffene und Expert*innen über Auswirkungen rechter Gewalt und Rassismuserfahrungen. Was sind die psychosozialen Folgen eines solchen Anschlags, ist es z.B. überhaupt möglich, sich danach noch wohlzufühlen in Deutschland? Wie wichtig ist dabei der Umgang der Stadtgesellschaft mit dem Erlebten? Moderation: Adelheid Schmitz

 

19.3.2020, 18 – 20 Uhr, Gebäude 3, Raum 1.001
Vergessene Opfer?
(K)eine Frage der Wahrnehmung Podiumsdiskussion mit Kutlu Yurtseven, Ceren Türkmen und Heike Kleffner
Die Journalistin und Leiterin des „Bundesverbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V.“, Heike Kleffner, recherchiert „Vergessene Opfer“: Alleine im Zeitraum 1990 bis 2019 sind mindestens 24 Menschen in Nordrhein-Westfalen bei rechts, rassistisch oder antisemitisch motivierten Gewalttaten getötet worden. Hinzu kommen mindestens weitere acht Verdachtsfälle, in denen ein entsprechendes Tatmotiv naheliegt. Doch lediglich elf der Getöteten sind bislang auch offiziell als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt. Noch weniger bekannt sind rassistische Brandstiftungen und Tötungsdelikte der 1970er und 1980er Jahre. Der Initiative „Keupstraße ist überall“ und der „Initiative Duisburg 1984“ ist es durch intensive Recherchen gelungen, die Erinnerung an vergessene Todesopfer rassistischer Gewalt in der Öffentlichkeit zu verankern. Podiumsdiskussion mit den Aktivist*innen, moderiert von Anke Hoffstadt.

 

23.4.2020, 18 – 20 Uhr, Gebäude 3, Raum 1.001
Rechtsterrorismus in der BRD, 1970 bis 1990.
Vortrag von Dr. Barbara Manthe (FORENA/HSD)

Die Historikerin Barbara Manthe, Leiterin des DFG-Forschungsprojekts „Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik Deutschland, 1970-1990“ beim Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus (FORENA) an der HSD beleuchtet die Geschichte des Rechtsterrorismus in Westdeutschland vor 1990. Obwohl in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren rechtsterroristische Gewalt in der Bundesrepublik regelrecht eskalierte, liegt die Geschichte extrem rechten Terrors und seiner Opfer immer noch weitestgehend im Dunkeln. Der Vortrag wirft einerseits einen Blick auf zentrale Ereignisse und Opfer- gruppen des Rechtsterrorismus zwischen 1970 und 1990. Andererseits fragt er nach dem Erinnern an diese Taten. Dabei stehen vor allem die Opfer und der Umgang mit ihnen im Fokus.

 

Die Reihe des Erinnerungsortes Alter Schlachthof wird gemeinsam mit FORENA realisiert. Mit freundlicher Unterstützung des Landesintegrationsrates NRW und des Kulturzentrums Zakk, mit Förderung der LAG NW, Land NRW, Ministerium für Kultur und Wissenschaft, der Landeszentrale für politische Bildung NRW sowie des People of Color-Referats des AStAs der HSD.

Eintritt frei, Zugang barrierefrei.

 

 

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